Der Begriff „Tarikat“ stammt aus dem Arabischen und bedeutet wörtlich „Weg“ oder „Methode“. Im islamischen Kontext bezeichnet eine Tarikat einen spirituellen Pfad, der darauf abzielt, Gläubige zur Nähe zu Allah zu führen. Diese Wege basieren auf den Lehren des Sufismus, einer mystischen Auslegung des Islam. Der Begriff „Tarikat“ wurde erstmals im 12. Jahrhundert systematisch verwendet und ist in der islamischen Geschichte tief verwurzelt.
Laut islamischer Tradition ist der Weg zu Allah so zahlreich wie die Atemzüge aller Geschöpfe. Diese Vielfalt spiegelt sich in der Vielzahl der Tarikate wider, die unterschiedliche Ansätze und Rituale verfolgen, um die spirituelle Reinigung und die Nähe zu Allah zu erreichen.
Ursprung und Bedeutung
Im Koran wird das Wort „Tarikat“ in seiner ursprünglichen Bedeutung als „Weg“ erwähnt, etwa in Sure Taha (20:63, 104). In der islamischen Mystik steht Tarikat für die spirituellen Methoden, die über die äußere Praxis des Islams (Schari’a) hinausgehen und den inneren, spirituellen Kern des Glaubens (Haqq) berühren.
Sufis, die Anhänger dieser spirituellen Wege, betonen, dass eine Tarikat ohne die Einhaltung der Schari’a-Regeln nicht zum Ziel führen kann. Sie beschreiben die Beziehung zwischen Schari’a, Tarikat und Haqq mit Analogien wie einer Muschel (Schari’a), die den Kern (Tarikat) umhüllt, und dem wertvollen Perlenkern (Haqq).
Struktur und Rituale einer Tarikat
Jede Tarikat besitzt eine klare Hierarchie und spezifische Rituale:
- Eintritt in die Tarikat:
Ein Novize (Murid) tritt einer Tarikat durch einen Eid gegenüber einem geistigen Führer (Scheich) bei. Dieser Eid symbolisiert Hingabe und Bereitschaft zur spirituellen Führung. - Zikr (Gedenken):
Der Zikr, das Gedenken Allahs, ist ein zentrales Ritual in den Tarikaten. Dieser kann still (Hafi) oder laut (Jahr) erfolgen. Einige Tarikate kombinieren beides, oft begleitet von Musik und Tanz, wie es etwa bei der Mevleviyya („Tanzende Derwische“) der Fall ist. - Spiritualität und Ausbildung:
Der Scheich ist der geistige Lehrer der Anhänger und führt sie durch verschiedene spirituelle Stufen, die mit innerer Reinigung, Meditation und Gebeten verbunden sind.
Die Rolle der Tarikate in der islamischen Geschichte
Seit dem 12. Jahrhundert spielen Tarikate eine entscheidende Rolle in der Verbreitung des Islams. Besonders in Regionen wie Zentralasien, Afrika und dem Balkan haben Sufi-Orden durch ihre spirituellen und sozialen Aktivitäten den Islam verbreitet und kulturelle Brücken geschaffen.
Bekannte Orden wie die Naqschbandiyya, Qadiriyya oder Mevleviyya sind Beispiele für die Vielfalt der Tarikate. Sie haben nicht nur die religiöse Praxis, sondern auch Kunst, Wissenschaft und Philosophie innerhalb der islamischen Welt beeinflusst.
Herausforderungen und Entwicklungen
Obwohl Tarikate spirituelle Zentren des Islams darstellen, gab es immer wieder Kritik an möglichen Missbräuchen und der Gefahr von Abweichungen von den Grundprinzipien der Schari’a. Besonders in der Neuzeit, in der einige Länder Tarikate verboten haben, mussten diese in den Untergrund gehen, was sie anfälliger für Missbrauch machte.
Fazit
Eine Tarikat ist mehr als nur ein spiritueller Weg – sie ist ein tief verwurzeltes Konzept des Sufismus, das die innere Dimension des Islams erfahrbar macht. Trotz der Herausforderungen und Kritik sind Tarikate wichtige Elemente der islamischen Kultur und Geschichte, die Gläubigen bis heute Orientierung und Inspiration bieten.