Das Karagöz-Schattenpuppenspiel ist ein traditionelles kulturelles Erbe, das tief in der Geschichte der Türkei verwurzelt ist. Obwohl es als „Zıll-i Hayal“, „Hayal-i Zıll“ oder schlicht als „Göttliches Schattenbild“ bekannt war, ist unklar, wann der Name Karagöz für das Spiel aufkam. Die Ursprünge des Schattenpuppentheaters, wie es nach Anatolien kam und ob die Charaktere Karagöz und Hacivat tatsächlich lebten, sind Fragen, auf die es keine endgültigen Antworten gibt. Wie die Figuren hinter der Leinwand in ihrer Bewegung durch Licht und Schatten unterschiedliche Formen annehmen, so bleibt die Herkunft des Schattentheaters im Unklaren.
Einer weit verbreiteten Überlieferung zufolge nahm das Schattenpuppenspiel seinen Anfang in China. Es heißt, dass Kaiser Wu im Jahr 121 v. Chr. tief trauerte, als seine geliebte Ehefrau verstarb. Trotz aller Bemühungen, den Kaiser aufzumuntern, verfiel er in tiefe Traurigkeit. Erst als der Künstler Schav-Wöng an den Hof kam und behauptete, er könne das Bild der Verstorbenen hinter einer Leinwand erscheinen lassen, kehrte ein Funken Freude zurück. Mithilfe einer Frau hinter einem weißen Tuch, die mit Lichtprojektion Schatten erzeugte, wurde der Kaiser in den Bann des Schattentheaters gezogen. Diese Darstellung soll den Ursprung des Schattenpuppenspiels markieren. Ein chinesisches Dokument aus dem 11. Jahrhundert berichtet, dass diese Art von Schattenspiel auf Marktplätzen mit Lederfiguren populär wurde.
Die Verbreitung des Schattenspiels in andere Teile der Welt führte zu neuen Einflüssen und Variationen. In der westlichen Welt wurde das Spiel als „Chinesische Schatten“ bekannt. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass das Spiel seinen Ursprung in Indien hat, von dort aus im 4. oder 5. Jahrhundert nach Java unter dem Namen „Wayang“ gelangte und sich weiterentwickelte. In Indonesien ist diese Form des Schattenspiels bis heute erhalten, wobei die Figuren und Geschichten an die indische Mythologie angelehnt sind.
Wann genau das Schattenspiel in der türkischen Kultur Einzug hielt, lässt sich nicht genau bestimmen. Es wird jedoch vermutet, dass es über die Mongolen aus China zu den Türken kam und sich erst nach der Besiedlung Anatoliens in seiner heutigen Form etablierte. Die Hauptfiguren Karagöz und Hacivat, die das türkische Schattentheater prägen, wurden erstmals in dieser Region lebendig. Gemäß dem berühmten osmanischen Gelehrten Evliya Çelebi sollen Karagöz und Hacivat zur Zeit der Anatolischen Seldschuken gelebt haben, wobei ihre oft humorvollen und scharfsinnigen Dialoge die Basis für die Bühnenstücke bildeten.
Mit der Tanzimat-Periode und der damit einhergehenden westlichen Modernisierung verlor Karagöz an Popularität und wurde als folkloristische Tradition angesehen. Obwohl Elemente westlicher Theaterreformen in das Spiel integriert wurden, konnte der ursprüngliche Charme des Karagöz-Theaters nicht vollständig wiederhergestellt werden.
Das Karagöz-Schattenpuppenspiel ist jedoch mehr als eine kulturelle Erinnerung. Es steht für die kreative Ausdrucksform einer Epoche, in der Licht und Schatten Geschichten erzählten und Generationen von Menschen unterhielten. Trotz der Herausforderungen der Modernisierung bleibt Karagöz ein lebendiges Zeugnis der traditionellen türkischen Volkskunst und ihrer fesselnden Erzählkunst hinter dem Schattenvorhang.